Strategien


CIO Ludwig über die neue IT-Organisation

Siemens verlagert mehr IT-Mitarbeiter ins Business

Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

CIO.de: Hat Siemens eine KI-Strategie oder sind entsprechende Tools einfach nur Mittel der Wahl, wenn es gilt bestimmte Probleme zu lösen?

Ludwig: Es gibt keine Top-down-Aussage, wonach Projekte einen wie auch immer gearteten KI-Anteil haben müssen. De facto kenne ich aber keine Entwicklungsabteilung bei uns im Hause, weder Produkt- und Systementwicklung noch IT oder auch Corporate Technology, wo KI keine Rolle spielt.

KI ist Standard. Wer heute im Softwarebereich unterwegs ist, beschäftigt sich damit. Ein Beispiel: Wir sind ja ein führender Anbieter im Markt für Product-Lifecycle-Management-Systeme (PLM), und Sie wissen vielleicht, dass die CAD-Tools immer umfangreicher werden. Es ist faszinierend, was man damit alles machen kann. Aber wenn Sie ein Casual User sind, wird Ihnen das irgendwann zu viel. Also haben wir eine Lösung geschaffen, die erkennt, ob wir Usern das gesamte Paket oder nur einen für sie relevanten, eher einfachen Teil anbieten können. Dann werden Vorgehensweisen, die der User oft nutzt, prominent angezeigt und sind leicht zu finden.

Wir nennen das: Learning by Observation: Was hat der Nutzer bisher im System gemacht und daraus werden spezifische Handlungsempfehlungen abgeleitet. So kann man im CAD-Bereich viel schneller mit den Tools arbeiten.

RPA ist einer der ganz großen Produktivitätshebel

CIO.de: Reden wir über Ihre Geschäftsprozesse: Welche Erfahrungen haben Sie mit Prozess-Optimierungstools und mit RPA gemacht?

Ludwig: Wir haben eine Einheit, die sich auf interne Services und Prozesse fokussiert. Die haben schnell erkannt, dass Robotic Process Automation einer der ganz großen Produktivitätshebel ist. Viele administrative Prozesse im Hintergrund, auch unsere Reisekostenabrechnungen etwa, sind längst RPA-unterstützt. Das heißt nicht, dass alles nur noch komplett automatisiert läuft. Exception Handling gibt es natürlich immer. Aber alles, was durchlaufen kann, läuft auch durch. Die IT unterstützt das mit entsprechenden Technologien. Wir wurden im letzten Jahr mit dem CIO-100-Award ausgezeichnet für unsere RPA-Strategie.

Das bezieht sich ganz konkret auf interne Abläufe. Die zentrale Einheit bietet den Komplettservice an und die IT setzt die Robotics-Unterstützung um. Wir versuchen das jetzt auf andere Prozesse auszuweiten, etwa die Software-Entwicklungsprozesse. Im administrativen Bereich sind wir aber am weitesten fortgeschritten.

CIO.de: Siemens baut seinen IT-Produktbereich immer weiter aus, etwa mit der PLM-Lösung oder der IoT-Plattform Mindsphere. Inwiefern ist der IT-Bereich hier involviert?

Ludwig: Die Verantwortung liegt klar im Produktbereich. Als die Mindsphere-Initiative so reif wurde, dass klar war, jetzt geht es darum Projekte umzusetzen, haben wir uns vor ungefähr anderthalb Jahren das Ziel gesetzt: Wir wollen innerhalb eines Jahres mindestens 50 Mindsphere-Projekte bei Siemens selbst umsetzen. Tatsächlich wurden es dann sogar 80 Projekte und die Pipeline umfasst circa 200 weitere Vorhaben. Bei der Implementierung der Mindsphere-Technologie im Hause Siemens selber war die IT stark involviert.

Ein anderes Beispiel ist unsere Low-Code-Plattform Mendix, mit der relativ ungeübte User Applikationen schreiben können - in einer einfachen Ablaufstruktur. Manche Leute reden sogar von einer Demokratisierung der IT. Das funktioniert dann gut, wenn sie festgelegt haben: Don't touch the platforms, da darf es keine Rückwirkungen geben. Die Plattform muss stabil und sicher sein. Aber wenn die Applikationen, die darauf laufen, ihren Zweck erfüllen - hervorragend! Wenn eine App, die einen überschaubaren Entwicklungsaufwand von 10.000 oder 20.000 Euro hatte und dabei einen hohen Payback erzielt hat, nach zwei Jahren abgekündigt wird, ist das nicht schlimm.

Unsere Systeme waren historisch teilweise große Monolithen, die immer wieder aktualisiert wurden und sehr viele Interfaces hatten. Wir drehen die gesamte Struktur heute stärker in Richtung standardnaher Plattformen, und da drauf laufen dann leichtgewichtige Applikationen, die flexibel angepasst werden können.

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